2007 Reisebericht Baltikum

Abfahrt in Cuxhaven

Die Fahrt durch den Kiel-Kanal am Pfingstmontag ist einfach und schnell zumal ich in den Schleusen immer bei Uwe Groth, der zeitgleich ebenfalls unterwegs ist, längsseits gehen kann. Morgens um 08:00 in „Cux“ abgelegt kann ich bereits um 20:15 die Leinen in Laboe festmachen.
Der folgende Regentag diente als Hafentag zum eingewöhnen.

Am Mittwoch starten Kunkelsuse (Detlevs Schiff) und Swantje in der Kieler Außenförde die gemeinsame Reise. Als erste Etappe ist Fehmarn vorgesehen, dessen Yachthafen Orth wir dann auch bereits gegen 15:00 erreichen. WSW mit Stärke 5-6 gestattete eine schnelle Reise.
Unterwegs mache ich Bekanntschaft mit der Bundesmarine, die mich in Gestalt eines Schnellbootes über UKW Kanal 16 dringend um die Umfahrung des Sperrgebietes „bittet“. Die Bewährungsprobe für die neu angeschaffte Handfunke ist bestanden. Nachteil: Ich kann mich nicht durchmogeln und muss den längeren Umweg fahren.
Beim Abendspaziergang im Hafen können wir noch einen Segler aus seiner misslichen Lage befreien. Mit Hilfe des Mastfalls krängen wir von Land aus sein Schiff so weit, dass er es wieder von der Sandbank bewegen kann.

Der Wetterbericht kündigt die Ostwindlage bereits an. So motoren wir am Donnerstagmorgen zunächst durch die Fehmarnsundbrücke und dann weiter bis zum Staberhuk. Ab da dann endlich der ersehnte Segelschlag, zwar nicht ganz auf Sollkurs aber immerhin. Wir müssen uns dann halt die letzten Meilen bis Gedser unter Maschine gegen an quälen. Es wird nass und kabbelig bei sehr starkem Gegenwind.
Imposant ist der große Windpark offshore vor Gedser mit -durch Detlev gezählt- 90 Windrädern, an dem wir dicht vorbeifahren.

Mön und Bornholm

Der Freitag beginnt mit Flaute. Wir entschließen uns trotzdem die 34 Meilen nach Klintholm mittels Maschine zurückzulegen.

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Klintholm beschert uns 2 Hafentage (Starkwind aus Ost), die wir aber gut zu nutzen wissen. Mit den Bordrädern geht es zu den Kreidefelsen, an deren Wassersaum wir eine ausgedehnte Wanderung unternehmen. Der Rückweg wird dabei durch eine Klettertour gewürzt: Wir benutzen die eingestürzten Teile eines ehemaligen hölzernen Aufganges um auf den oben liegende Wanderweg zu gelangen.
Zur Belohnung dann 2 Tässchen Kaffee zu horrenden dänischen Preisen.
Außerdem testen wir beide Grills: Detlefs „Gasmodell“ und Rainers  „Cobb-Grill“.

Der starke NO gestattet nicht die ersehnte schnelle Fahrt nach Bornholm unserem gewünschten Absprungbrett Richtung Polen.
Wir entschließen uns daher nach Lohme kurz hinter Kap Arkona zu laufen.
Bei NO 5 geht’s los und es wird eine halbwegs passable Fahrt über nahezu 50 sm. In Lohme genießen wir den Blick von der Steilküste auf den darunter liegenden Hafen und versüßen uns den Abend in dem vom Hafenmeister empfohlenen Lokal. Riesige Portionen !
Jetzt wissen wir, warum der nette Hafenmeister so gut in Futter ist.

Die Ostwindlage bringt uns schier zur Verzweifelung. Alle Möglichkeiten werden erörtert. Letztlich entschließen wir uns die 66 sm nach Nexö / Bornholm unter Maschine zurückzulegen. Eine entnervend lange Motorfahrt von 13h. Ca. 22:00 haben wir die Leinen fest in Nexö, wo wir uns den nächsten Tag zum ausruhen gönnen. Der kleine überraschend schöne Ort (Detlev bekommt seine geliebten Pölser) und der weiträumige Fischereihafen lassen dabei die Zeit nicht lang werden.

Ankunft in Polen

Von Nexö aus beschließen wir, Ustka (Stolpemünde) in Polen anzusteuern.

Route20nach20Polen

Bei zunächst NO4 machen wir auch gute Fahrt in Richtung Ziel. Der Wind frischt jedoch auf mit entsprechend Seegang und was noch viel schlimmer ist: er dreht gen Ost! Nach kurzer Beratung über Ukw wird um 11:00 als neues Ziel Darlowo (Rügenwalde) festgelegt. Diese Kursänderung verhilft uns zu gutem Speed, so dass wir bereits gegen 16:00 in Darlowo einlaufen können.
Ca. 15 Meilen vor der Küste machte ich jedoch noch „Bekanntschaft“ mit dem polnischen Militär. Ein Küstenwachboot hält zielsicher auf mich zu und stellt per UKW Kanal 16 folgende prägnante Fragen: Woher, wohin, wie viele Personen an Bord. Nachdem ich alles haarklein beantwortet habe – Start- und Zielort darf ich sogar buchstabieren- kann ich ausgestattet mit den besten Wünschen -Thank you for your cooperation- weiterfahren. Ein bisschen mulmig ist mir bei dieser Prozedur schon.
Da Detlev etwas eher da war, hatte er den netten englisch sprechenden Beamten am Zollpier bereits vorgewarnt, so dass es bei mir mit dem „Einklarieren“ sehr schnell ging. Einmal den Pass rübergereicht, das war es.

Darlowo empfängt uns als quirliger Badeort -es ist gerade Feiertag- und wir erkunden ausgiebig das nähere Hafenumfeld. Die Vielzahl Menschen, die auch abends noch auf den Straßen, der Mole und dem Strand unterwegs sind, erstaunt uns.

Morgens um 09:00 passieren wir wieder die geöffnete Brücke des Hafenkanals und werden an der Zollpier bereits erwartet und durchgewinkt, wobei wir das nächste Ziel herüber rufen. Da wir bereits um 12:50 Ustka (Stolpemünde) querab haben, laufen wir weiter bis Leba,  wegen zu schwachen Windes leider wieder unter Maschine.

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Gegen 18:00 erreichen wir die Hafeneinfahrt von Leba, die genau angesteuert werde muss und deren Passage bei auflandigem Starkwind oder Sturm unmöglich ist. Auch wir werden bei achterlichem Alt-Seegang regelrecht in den Hafen hineingespült. Ich taufe die Einfahrt daher „Höllenschlund“, was Detlev sehr amüsiert und später immer mal wieder für Gesprächsstoff sorgt.
Nach dem Passieren der Einfahrt gelangt man in einen Hafenkanal, in dem mit einer stationären Anlage ständig gebaggert wird. Auf der Fahrt zum Yachthafen fangen wir uns beim passieren des Zolls einen Rüffel ein: Why dont you call us?“ . Wir haben uns halt noch nicht dran gewöhnt, jeden Schritt anzumelden. Als der Beamte hört, dass wir innerpolnisch von Darlowo kommend unterwegs sind, ist die Welt halbwegs wieder in Ordnung.

Die Wanderdünen bei Leba und die Halbinsel Hel

Für die Erkundung von Leba gönnen wir uns das ganze Wochenende.
Als erstes steht natürlich ein Ausflug zur „Sahara Pommerns“ an, den großen Wanderdünen im Slowinski-Naturpark. Mit den Bordfahrrädern sind die 10 Km ein Klacks für uns.

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Nachdem wir die Fahrräder gut bewacht abstellen konnten, treten wir aus dem Wald heraus und sind wie viele andere Menschen von dem gewaltigen Naturschauspiel beeindruckt.
Die Rückfahrt erfolgt durch schöne Waldwege vorbei am See Lebsko.
Am Abend genießen wir einen herrlichen Sonnenuntergang und lassen uns von der Hafengastronomie verwöhnen.
Am Sonntag ist neben der Besichtigung von Leba unserer Vormittagskaffee auf der Terrasse des Schlosshotels Neptun (1903 als vornehmes Pensionat erstellt) erwähnenswert.
Wir sind jedenfalls am Abend zufrieden in 14 Tagen, mit 400 sm seit Cuxhaven, bereits so viel erlebt zu haben.

Am Montag wollen wir aber weiter, sonnst drohen wir hier noch im Hafenschlick fest zu wachsen.
Brav melden wir uns beim Hafenmeister unter Nennung des nächsten Hafens ab. Wladywaslowo (Großendorf) heißt unser nächstes Ziel. Mit achterlichem Wind (Genua ausgebaumt) kommen wir auch 4 Stunden zunächst gut voran, bis der Wind einschläft und wir wohl oder übel motoren müssen. Diesmal versuche ich eine formvollendete Meldung über Funk bei der Traffic Control. Nach den gewohnten Fragen (woher, wohin, how many persons) kommt die Aufforderung: You can Go.
Großendorf ist ein eher hässlicher großer Fischereihafen am Beginn der Halbinsel Hel. So unternehmen wir einem Ausflug mit dem Fahrrad auf die Halbinsel Hel erkunden abends aber noch das weitläufige Hafengelände. Wegen vieler manöverrierender Fischkutter verbringen wir eine unruhige Nacht.

Über Funk erkundigen wir uns am nächsten Morgen, ob wir die Sperrgebiete 10 und 11 queren dürfen. Das o.k. spart uns 20 sm.
Zwei Stunden genießen wir einen herrlichen Schiebewind dicht in Sichtweite entlang der Küste von Hel. Auch wenn der Wind einschläft genießen wir die Küstenformation und die Umrundung von Kap Hel. An militärische Operationen mittlerweile gewöhnt, stört uns auch ein in Sichtweite ebenfalls das Kap umrundende U-Boot nicht. Der Anruf bei der Hafenbehörde über UKW ist mittlerweile schon zur Routine geworden und so sind wir auch nicht erstaunt schon kurze Zeit nach dem Festmachen von einem Zollbeamten auf dem Steg befragt zu werden (Woher, Wohin…)

Hel ist ein quirliger kleiner „Touristenort“.

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Etwas eigenartig wirkt der „futuristische Pilzbau“ auf der Mole, in dem ein Restaurationsbetrieb neu aufmacht. Mit einer hölzernen Terrassen-Schiffskonstruktion in Billigbauweise sollen weitere Touristen angelockt werden.

Noch früh am Nachmittag satteln wir die Bordfahrräder und fahren an die Außenküste der Halbinsel Hel um dort ein erfrischendes Bad zu nehmen.

Erkundung der Putziger Wyk

Unser Plan steht: Bevor es nach Danzig gehen soll, wollen wir die Putziger Wyk, d.h. den nördlichen Teil der Danziger Bucht näher erkunden. Wir laufen daher beginnend ab Mittwoch den 13. Juni in den folgenden 2 Tagen noch die Häfen Jastarnia (Heisternest) und Puck an. Jastarnia überrascht durch eine neue Schwimmsteganlage in dem ansonsten riesigen Hafenbecken. Auch hier kommen wieder die Bordfahrräder zur Erkundung des Hinterlandes zum Einsatz. In Puck legen wir im ersten echten Yachthafen in Polen an. Eine schöne Altstadt ist nur wenige 100 Meter entfernt, so dass die Bordfahrräder sich ausruhen können. Die Sanitäranlagen sind bestens, wohl auf hier stattfindende Segelmeisterschaften ausgelegt. Den Tag lassen wir mit einem Bad (Sehr flaches Ufer!) ausklingen und genehmigen uns anschließend ein Abendessen im direkt auf der Pier gelegenen Restaurant-Rundbau mit ausgezeichnetem Meerblick.

Wunderschönes Danzig

Die knapp 30 sm nach Danzig können wir in Rauschefahrt bei 6-7 Knoten genießen. Die Einfahrt in den großen Danziger Hafen unter Segeln ist ein besonderes Erlebnis. Port Control (Ch 14) verweist uns an den bestehenden Zollanlaufpunkt, wo wir einer auf dem Kai stehenden,  uniformierten jungen Zollbeamtin die gewohnten Fragen beantworten.

Danzig

Anschließend geht es unter Maschine zur City-Marina direkt gegenüber dem Krantor in der Altstadt. Der Hafen liegt zentral, ist relativ gut ausgestattet und daher auch gut belegt.
Die folgenden zwei Tage genießen wir die wieder aufgebaute Danziger Altstadt und lassen es uns gut gehen. Erwähnenswert ist das quirlige Leben rund um den langen Markt und auch das Bernstein-Museum lassen wir uns nicht entgehen.
Wir wandern natürlich auch zum „Denkmal für die Werftarbeiter“, das an die streikenden Werftarbeiter 1970 und die Solidarnosc-Bewegung erinnern soll. Die aus nichtrostendem Stahl gefertigten 42 Meter hohen Kreuze sind imposant und wir verweilen hier eine ganze Zeit.
Außerdem nutzen wir die Chance einen Friseur zu besuchen und unsere Biervorräte, die nach 3 Wochen doch merklich gelitten hatten, wieder aufzufrischen.

Gen Baltikum

Nach so viel Stadtluft zieht es uns am Montag, den 18. Juni weiter gen Norden. Für den Absprung nach Klaipeda (es sind über 110 sm zu bewältigen) haben wir das bereits bekannte Hel vorgesehen. Leider muss wegen schwachen Windes für die 18 sm bis dorthin wieder die Maschine herhalten.
Um 09:30 am 19. Juni wird es ernst. Wir klarieren offiziell in Polen aus und reichen im vorbei driften unsere Pässe dem auf der Pier wartenden Zollbeamten. Dieses Verfahren wirkt für uns immer wieder ungewohnt und leicht übertrieben. Wir sind halt verwöhnt durch das Schengen-Abkommen mit den fehlenden Grenzkontrollen. Aber wir denken, mit der Zeit wird sich auch diesbezüglich noch einiges ändern. Die Beamten sind jedenfalls immer sehr korrekt und wirken manchmal sogar etwas schüchtern bzw. unbeholfen.

Ca.50 Grad ist der Generalkurs, der viele, viele Stunden auch die ganze Nacht durch zurück zulegen ist. Der Wetterbericht hatte bis Mitternacht NW 3 versprochen. Daraus werden dann aber real rasch 5 Bft, so dass mit der Genua zu viel Lage geschoben wird und der eiserne Gustaf (Selbststeuer) insbesondere auch wegen zu viel Seegang überfordert ist.
Das bedeutet viele Stunden auf der hohe Kante. Am frühen Abend wird mir diese Bolzerei zu viel und so rolle ich nach Umrundung der 12 sm-Zone der russischen Enklave Kaliningrad die Genua ein ganzes Stück ein. Ein beachtlicher Komfortgewinn bei kaum weniger Fahrt ist das Resultat. Es hat sich wiederum gezeigt: man sollte doch eher reffen.

Die letzten endlos langen sm sind bei stark nachlassendem Wind aber noch unangenehmer Welle unter Maschine zurückzulegen. Im frühen Morgengrauen laufen wir durch die imposanten Außenmolen von Klaipeda und fahren weiter im Hafenkanal bis zum Zollsteg. Unser Ruf über UKW hatte keine Resonanz, gleichwohl stehen um 04:15 zwei Beamte des littauischen Zolls am Steg, beobachten uns und rühren keine Handschlag (Warum auch die Leine annehmen?) bis wir die Boote mit dem Kopf am Steg fest haben. Es ist ein umfangreiches wohl eher für die Berufsschifffahrt gedachtes Formular auszufüllen, wobei die beiden Herren sich sehr amtlich geben. Aber auch diese Klippe ist bald umrundet und wir dürfen einreisen. Dass die Herren uns kein Einklarierungs-Dokument geben, rächt sich allerdings später noch.

Wir finden eine kleine Lücke längsseits am Holzsteg im gut ausgebuchten Stadthafen und verkriechen uns bis zu einer etwas zivileren Uhrzeit erst mal in unsere Kojen.
Der Stadthafen macht einen ziemlich verlodderten Eindruck und hat zudem kein Wasser und Strom (nur sporadisch, was an den total unzureichenden Installationen liegt). Dafür ist er aber mit „Wachmännern“ an jedem Eingang Tag und Nacht „unter Kontrolle“. Man fühlt sich fast beobachtet.

In Klaipeda

Nach einem ausgiebigen Frühstück geht es auf die erste Erkundung von Klaipeda und die Suche nach einem Geldautomaten da wir ohne litauisches Geld sind. Automaten gibt es, wie sich schnell herausstellt bald an jeder Straßenecke. Wir sind überrascht vom Verkehrsgetümmel und finden rasch den Weg zur Markthalle, um uns mit ortsüblichen frischen Produkten einzudecken. Leider habe ich den Fotoapparat nicht dabei, so dass die Farbenpracht der vielen Stände und auch die Aufführung einer Folkloregruppe,die auch das „Ännchen von Tharau“ darbietet nicht dokumentiert werden kann.

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Da wir abends keine Lust haben im verlodderten Hafen zu kochen, suchten wir uns ein Lokal, das -wie sich herausstellt- allerdings einem Schweizer gehört.

Das Kurische Haff mit Juodkrante, Uostadvaris und Nida

Am nächsten Morgen geht es in das Kurische Haff. Leider lässt strammer Gegenwind und auch ein Gegenstrom von 1,5 Kn kein Segeln zu. Schon mittags gehen wir längsseits am Stadtanleger des malerische Ortes Juodkrante (Schwarzenort).

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Hier machen wir die Bekanntschaft mit der Besatzung eines „Kurenkahnes“, wie sie früher hier ortsüblich waren. Ein Besatzungsmitglied spricht recht ordentlich englisch, so dass wir einiges in Erfahrung bringen können und mit einem Foto des Bootes beschenkt werden. Wir revanchieren uns mit „Beck’s Bier, welches dankend angenommen wird.
Mit den Rädern erkunden wir ausgiebig den Ort, der den Charakter eines Seebades hat.

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Nach einer wunderschönen Tour durch Wald genießen wir außerdem ein Bad in der Ostsee (das Haff ist nicht sehr breit).
Den krönenden Abschluss des Abends bildet ein Konzert von Mitgliedern der littauischen Philharmonie samt zwei Sopranistinnen in der Kirche. Noch länger sitzen wir danach auf der Hafenmole und lassen den schönen Tag ausklingen.

Starker Schwell vertreibt uns bereits morgens um 04:00 vom Kai und wiederum geht es unter Maschine gegen den vorherrschenden Wind. Wir entschließen uns in das Neumunas-Delta einzulaufen und wählen als Hafen den Ort Uostadvaris (Gut Kuvertshof).

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An einem alten Leuchtturm liegen wir an einer mächtigen Betonpier in einem kleinen Hafen nebst angrenzender Herberge. Auch zwei Schnellboote der littauischen Marine sind hier stationiert. Den ganzen Tag beobachten wir das Treiben auf dem Gut und die gelegentlich durch Schiffe herangebrachte Touristengruppen. Bei einer abendlichen Radfahrt über Schotterwege ins Hinterland wird uns schnell deutlich, wie stark dieser Landesteil von wirtschaftlicher Entwicklung abgekoppelt ist.
P.S: Im Vorraum zur Sauna, wo abends noch Räucherfisch ausgebreitet war, schlummern morgens 3 Soldaten.

Samstag 23. Juni geht es weiter nach Nida, genau rechtzeitig zur dort statt findenden Mitsommernachts-Prozession.
Das hat allerdings auch seine Schattenseiten: recht belegter Hafen, lärmende Hafendisko, große Bühne für die abendliche Show usw.
Ortsbesichtigung (einige schöne ursprüngliche Bauten) und der Spaziergang auf die „Große Düne“ gefallen uns dennoch gut.

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Auch bei der „Prozession“ und einigen Folklore-Darbietungen haben wir eine Zeit lang zugeschaut. Dennoch ist das ganze bereits sehr stark kommerzialisiert. Auf der Bühne ist gegen 23:00 Schluss, die Hafendisko dröhnt allerdings unvermindert bis 04:00 morgens.

Nach dem Frühstück suchen wir schnell das weite und dürfen uns sozusagen als Wiedergutmachung an einer frischen Brise erfreuen, die uns bis nach Klaipeda trägt. Wieder das altbekannte „Überwachungsritual“ im Stadthafen. Die Krönung ist am Morgen das Warten auf den Zoll zwecks Ausklarierung. Einmal ist ein Zöllner kurz da, verschwindet jedoch rasch wieder, als wir nicht das Einklarierungs-Dokument (siehe oben) vorweisen können, wo er nur noch seinen Stempel draufsetzen wollte. Zwei Stunden dürfen wir warten, trotz abendlicher Anmeldung, morgendlicher Telefonanrufe des „Hafenaufsehers“ sowie 3-maliger Erinnerung über UKW durch uns. Endlich kommt ein junger Zöllner mit dem Auto, der auf unsere vorgebrachte Beschwerde nur hilflos mit den Achseln zuckt. Dann geht alles sehr schnell, wir können gegen 11:00 endlich ausreisen.

Weiter nach Liepaja

Mein Tatendrang wird durch brechende Seen vor der mächtigen Hafeneinfahrt zunächst etwas gebremst. Das ganze Schiff wird regelrecht überflutet, ich bekomme eine kalte Dusche und auch die Kajüte bekommt etwas ab, weil ich den Niedergang nicht rechtzeitig verschlossen hatte. Bei West 5 wird es mit 60 Grad am Wind dann ein herrliches Segeln (trotz hoher See) und das Speedometer geht nicht unter 6 Knoten. Nachdem um 13:30 die Seegrenze zu Lettland passiert wurde, können wir schon um 19:30 am Yachtsteg hinten im Hafen festmachen. Gegenüber dem schmuddeligen Ambiente von Klaipeda fällt schon bei der Einfahrt in Liepaja der„aufgeräumte“ Hafen auf.
Unsere artig über CH 11 mitgeteilte Ankunft wird freundlich quittiert und wir werden direkt zum Yachtsteg verwiesen. Hier nimmt uns ein freundlicher Bootsmann an und -oh Wunder- der erledigte so ganz nebenbei auch die Einklarierung am Steg; Pass vorzeigen und Crewliste übergeben, das reicht. Obendrein erhalten wir Infomaterial über Liepaja.

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Mit Liepaja haben wir einen guten Hafen erwischt. Immerhin müssen wir bis einschließlich Donnerstag, 28. Juni hier abwettern. Erwähnenswert ist der für Yachties gerade fertig gestellte neue Sanitärtrakt im Erdgeschoss des Design Hotels Promenade: alles vom feinsten. Wir nutzen die Gelegenheit und füttern Waschmaschine und Trockner. Des weiteren werden so leckere Gerichte wie Blaubeerpfannkuchen und in Butter geschmorte Pfifferlinge produziert. Ja, wir haben wieder Markthallen mit Frischwaren „entdeckt“.

Liepaja erwandern wir uns nach und nach und werfen dabei auch mal einen Blick in die Nebenstraßen. Zwischendurch immer mal wieder einen Kaffee. Bei dieser Gelegenheit haben wir auch das Rock-Cafe besucht. Aufgrund des stürmischen Windes ist der Strand menschenleer.
Als besonderes Ereignis besuchen wir auch den Stadtteil „Karosta“ eine ehemalige Militärsiedlung der Sowjets. Trostlose Plattenbauten in einem weitläufigen Areal. Mittendrin die St. Nikolas Orthodox Cathedral, die wir ausgiebig besichtigen. Das Gefängnis von Karosta (Marinehauptwache) schauen wir uns nur von draußen an; zu makaber erscheint uns diese „Aufführung hinter Gittern“.

Nach Ventspils

Mit der Vorhersage West 5-6, See 1-2m von DLF um 06:40 laufen wir um 09:00 nach vorheriger Abmeldung beim Hafenmeister aus. Wieder empfängt uns mächtiger Seegang vor den gewaltigen Hafenmolen. Gelernt aus den Erfahrungen von Klaipeda, ist aber diesmal das Luk verschlossen. Eine See größer 2 m verurteilt mich allerdings zum ständigen Ruder gehen. Später wird es dennoch ein sehr schönes Segeln mit halbem Wind. Aufgrund mitunter brechender Wellenkämme halte ich mich aber in gebührendem Sicherheitsabstand zur Küste auf der 20 m Linie.

Um 18:30 sind -etwas erschöpft- die Leinen in Ventspils fest. Das Boot liegt sicher vertäut zwischen Heckboje und Holzsteg.
Hier in Ventspils ist der Hafenmeister übereifrig. Kaum sind die Leinen fest, bittet er uns am Steg sofort in sein Büro. Das wir innerlitauisch unterwegs sind scheint ihn nicht zu interessieren, wir müssen ein umfangreiches Dokument ausfüllen, welches er anschließend mühsam in seinen Computer tippt. Wir erhalten davon auch eine gedruckte Fassung, die uns später allerdings noch nützlich ist.

Um so wohltuender ist anschließend die Einladung von Arend und Trine Noack auf ihr wunderschönes Holzboot „Tamo“.

tamo

Die beiden Bremer hatten uns schon in Liepaja auf Sicht und haben uns spontan zum „Spagettiessen“ bei sich an Bord eingeladen. Ein anschließender Klönschnack beschließt den Abend.
Morgens gegen 08:00 legen die beiden bereits ab. Eine Verabredung mit der Tochter in Marieham (Aalands) ruft und will eingehalten werden.
Ich muss wohl etwas verdaddert geschaut haben, als Arend mir noch folgenden Umschlag übergibt.

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Wir aber haben noch etwas Zeit. Detlef’s Frau Ulrike wird mit Ryan Air erst am Donnerstag in Riga eintreffen. So brechen wir auf zur Erkundung von Ventspils und werden nicht enttäuscht.

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Die ganze Stadt ist schmuck und aufgeräumt. Viele Skulpturen, Bänke, Grünstreifen säumen den Weg. Hier wurde erkennbar sehr viel getan und investiert. Nach dem obligatorischen Gang zu den Markthallen (hier hätte ich auch eine Bordkatze erwerben können) haben wir das Glück auf dem Kirchplatz in der Altstadt einer folkloristischen Musikveranstaltung zuschauen zu dürfen.
Rundherum zufrieden gehen wir zurück an Bord.

Über Sarema und Roja nach Riga

Eine Dame vom Zoll klariert uns am Steg morgens gegen 08:00 aus, wir geben Estland als Ziel an. Beginnend mit Nord 2 nimmt der Wind stetig zu und wird gegen 10:00 zu einem ausgewachsenen NO 5. Also jetzt nix wie Segel hoch und mit ca. 30 Grad am Kompass Richtung Estland. Das zunächst angepeilte Roja in Lettland hätten wir nur mit Motorkraft gegen den Wind erreichen können. Bis 15:00 können wir -hoch am Wind- segeln, dann muss leider wieder für ca. 3 Stunden die Maschine ran. Nasva heißt der estnische Yachthafen, in dem wir anlegen. Neben der Yachwerft ist der Hafen wie ausgestorben und auch das davor liegende Hotel scheint weitgehend unbelegt. Wir rufen über Handy den Zoll (aufgrund eines Hinweisschildes) und werden von 2 per Auto herbeigeeilten Beamten freundlich einklariert -erstmals müssen wir dabei auch unsere Bier und Schnapsvorräte angeben. Es wird eine ruhige Nacht.

Morgens erscheint pünktlich für 08:00 Uhr bestellt wieder die „Border Guard“. Wir klarieren offiziel aus mit Ziel Roja. Bei spiegelglatter See und bestem Sonnenwetter wird es eine reine Motorfahrt, so dass ich mich über die Reiseliteratur hermachen kann. Kaum am Yachtsteg in Roja angelegt, Leinen noch nicht ganz fest, ist bereits eine Dame vom Zoll zugegen.
Ich glaube, an dieses Prozedere werde ich mich nie ganz gewöhnen und hoffe, dass der ganze „Firlefanz“ im Rahmen der europäischen Integration abgeschafft wird. Allerdings ist mir die geschichtliche Entwicklung dieser jungen baltischen Staaten durchaus bewusst.

Roja verlassen wir bereits am folgenden Morgen unter Maschine. Bei aufkommendem stärkerem Wind um 4 und entsprechender See muss das Groß als Stützsegel herhalten. Riga ist bereits von weitem auszumachen und einfach anzulaufen. Aufgrund eines Tipps im vorzüglichen Küstenhandbuch Baltikum von Jörn Heinrich wollen wir im „Latvijas Jahtklubs“ beim Lotsenkanl festmachen. Hier haben sich aber die Verhältnisse inzwischen geändert. Gäste werden scheinbar nicht gern gesehen; wir werden unfreundlich zum stadtnahen Yachtcenter verwiesen.

Riga – das Paris des Nordens

Der Yachthafen „Andrejosta“ liegt 7,5 sm die Daugava aufwärts.
Von hier aus haben wir einen kurzen Weg zu der um den Dom gelegenen Altstadt.

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Es empfängt uns eine prachtvolle Architektur, die wir auch aus der Vogelperspektive von der 71 m hohen Aussichtsplattform der St. Petri Kirche genießen dürfen.
Ein Orgelkonzert im Rigaer Dom sowie der 1930 fertig gestellte Zentralmarkt in ehemaligen riesigen Zeppelinhallen sind weitere Stationen in Riga.

Und jetzt wissen wir auch:
Im Jahre 1201 war Bischof Albert der Stadtgründer von Riga.
Bischof Albert entstammte einer angesehenen Familie aus Bexhövede bei Bremerhaven. Er wurde 1199 von seinem Stiefonkel Erzbischof Hartwig von Hamburg-Bremen zum Bischof von Livland geweiht. Er machte sich die Christianisierung Livlands zu eigen.

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Dieses restaurierte Denkmal des Stadtgründers Albert wurde zur 800 Jahrfeier  in 2001 der Stadt Riga von den Deutsch-Balten geschenkt.

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Eindrucksvoll ist für mich der Besuch des Okkupationsmuseums. Der strenge kubische Bau spiegelt als Dokumentationszentrum die Jahre 1940-1991 mit nationalsozialistischer und sowjetischer Okkupation wieder und zeigt deren Konsequenzen für die Einwohner und das Land auf sowie die Wiederherstellung der staatlichen Unabhängigkeit Lettlands. Viele Fotos, Kopien von Dokumenten, Verträgen, Gesetzestexten sowie persönliche Erinnerungsstücke verfehlen ihre Wirkung nicht und lassen mich nachdenklich werden.

Über Insel Ruhnu zur Insel Sarema

Am Samstag 07. Juli nehme ich Abschied von Detlef und seiner per Flieger eingetroffenen Frau Ulrike, die möglichst direkt die schwedischen Schären erreichen wollen.
Mich zieht es noch nach Kuressare auf Sarema als nördlichster Punkt meiner Reise. Gegen 08:15 lege ich im Yachtcenter ab, tanke noch 70 l Diesel an der Schiffstankstelle ein paar Meilen stromab und passiere dann gegen 10:00 die Hafenmolen.
Zunächst habe ich die 60 sm entfernte Insel Ruhnu im Visier, um dann von dort Kuressare anzulaufen.

Ruhnu war bis zum 18. Jahrhundert schwedisch, dann russisch und gehört seit Ende des Zarenreiches zu Estland. auf der 11,5 qkm großen Insel leben ca. 60 Esten. Im Inselzentrum gibt es ein kleines Dorf im übrigen ist die Insel von dichten Waldgebieten geprägt.
Gegen 19:00 laufe ich in den seit diesem Jahr vollständig fertig gestellten Yachthafen ein. Ein netter Hafenmeister empfängt mich und unterstützt bei der Einklarierung in Estland direkt in seinem Büro.

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Wie Adern durchziehen zahlreiche Wege, die auch mit dem Rad gut befahrbar sind das wunderschöne Terrain. Frischer Seewind sorgt stets für angenehmen Luftaustausch, hörbar durch das Rauschen der Baumwipfel. Alles wirkt irgendwie unberührt und einfach zauberhaft.
Rhunu ist meine Zauberinsel!

Am Dienstag 10. Juli erreiche ich nach ca. 8 stündiger Fahrt bei West 4 später leider abflauend W2 die Baggerrinne zum Yachthafen Kuressare.
Den Baggeraushub der Fahrrinne hat sich die Natur erobert und zahlreiche Seevögel. Schon vor Passieren der Hafeneinfahrt erkennt man die sehr geräumige moderne Marina mit Ihren 50 Gastliegeplätzen. Es gibt ein modernes Hafengebäude mit Sanitärtrakt und empfehlenswerten Restaurant (selbst ausprobiert). Der Hafenmeister ist sehr rührig und hilfsbereit

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Von den Liegeplätzen fällt der Blick direkt auf die Bischofsburg von Kuressare, die Bischof Albert im Zuge der Christianisierung errichten ließ.

Sarema ist mir insbesondere durch eine ausgedehnte Fahrradtour über 55 Km in Erinnerung.

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Zunächst zum Strand von Mandjala geht es über zum Teil unbefestigte Schotterstraßen und durch unberührte Landschaft weit ins Landesinnere zum See Karujärv. Nach der Rückkehr bin ich erschöpft aber zufrieden, habe ich mir doch einen kleinen Teil der weiten Natur von Sarema –ehemals Ösel- erschlossen.

Rücktour nach Bremerhaven

Die Schilderung meiner Rückreise über Ventspils, Gotland, Västervik, Kalmar, die Hanö-Bucht, Mön und die Dänische Südsee zurück nach Bremerhaven würde diesen Reisebericht bei weitem sprengen.

In lebhafter Erinnerung ist mir jedoch die ruppige 95 sm lange Fahrt nach Gotland, das Wiedersehen mit Detlef und Ulrike in Visby sowie insbesondere die schönen Faulenzer-Tage mit meiner Frau Ilse in der Hanöbucht.

Bereits am Ende der Reise, wird mir auf langen Spaziergängen auf Omö und Drejö klar: Nächstes Jahr werde ich wieder aufbrechen!

Heimgekehrt auf der Weser freue ich mich auf das Zusammentreffen mit Fritz und Elke, die mit ihrer Vagabund von einem Trip zu den Inseln kommen.

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